Ursachen für ADHS: Wie entsteht eine ADHS?
Gut zu wissen!
Für die genauen Ursachen einer ADHS gibt es noch keine vollständige Erklärung. Nach aktuellem Stand der Forschung geht man jedoch davon aus, dass eine ADHS multifaktoriell, also durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren ausgelöst wird.
Es gibt also nicht die eine Ursache für eine ADHS. Vielmehr scheinen sowohl genetische als auch verschiedenste umweltbedingte Risikofaktoren an der Entstehung einer ADHS beteiligt zu sein. Zusätzlich können Umweltfaktoren auch im Rahmen der Epigenetik Einfluss darauf nehmen, welche genetischen Merkmale im Körper aktiviert oder deaktiviert werden.
Erbliche Faktoren
Da eine ADHS familiär gehäuft auftritt, wird vermutet, dass die Genetik bei der Entstehung einer ADHS eine Rolle spielt. Dennoch konnte bislang noch kein einzelnes Gen identifiziert werden, das zweifelsfrei für die Ausprägung einer ADHS verantwortlich ist. Vielmehr geht man von einem Zusammenspiel verschiedener genetischer Veränderungen aus, die auch mit weiteren Faktoren interagieren. Eine ADHS ist demnach eine polygenetische Störung.
Ist eine ADHS vererbbar? Der Einfluss von genetischen Faktoren
Der Einfluss der Gene auf die Entstehung einer ADHS ist komplex.
Anhand von durchgeführten Zwillingsstudien wird die Erblichkeit einer ADHS auf etwa 70 bis 80 % geschätzt. Ebenfalls haben Eltern und Geschwister von ADHS-Betroffenen ein im Gegensatz zur generellen Bevölkerung fünf- bis zehnfach erhöhtes Risiko, eine ADHS zu entwickeln. Obwohl diese familiäre Häufung vorliegt, ist es schwierig, die Vererbung der ADHS eindeutig zu belegen. Es ist bekannt, dass es zwar eine genetische Veranlagung für eine ADHS gibt, die Ausprägung der Symptome hängt am Ende aber von einem Zusammenspiel aller Umstände ab.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine ADHS an meine Kinder vererbe?
Diese Frage stellen sich sicherlich viele ADHS-Eltern mit Kinderwunsch. Ist ein Elternteil betroffen, liegt die Wahrscheinlichkeit, die Erkrankung an das Kind zu vererben, bei etwa 18 bis 24 %. Dabei ist sie bei ADHS-Müttern etwas höher als bei ADHS-Vätern. Haben beide Elternteile eine ADHS, liegt das Risiko bei bis zu 34 %. Vergleicht man die Erkrankungswahrscheinlichkeit zwischen Söhnen und Töchtern, liegt diese bei den Söhnen höher.
Haben Sie den Verdacht, dass Ihr Kind ebenfalls an einer ADHS leiden könnte? Welche Anzeichen und Symptome bei Kindern typischerweise auf eine ADHS hindeuten können und ab welchem Alter diese überhaupt sicher diagnostiziert werden kann, erfahren Sie hier.
Welche Gene / Genveränderungen verursachen eine ADHS
Bislang wurde kein Gen identifiziert, das zweifelsfrei für die Entstehung einer ADHS verantwortlich ist. Nach aktuellem Stand der Forschung gibt es aber zahlreiche verschiedene Abschnitte im Erbmaterial, den so genannten Gen-Loci, die im Zusammenhang mit der Entstehung einer ADHS gebracht werden. Dabei haben ADHS-Betroffene aber keine Veränderungen an all diesen Stellen im Genom! Vielmehr geht man davon aus, dass eine gewisse Anzahl von Genveränderungen, gepaart mit einer gewissen Anzahl von Umweltfaktoren nötig ist, um die Ausprägung einer ADHS zu verursachen.
Weitere mögliche Ursachen von ADHS
Neben den bereits genannten Umständen werden auch weitere umweltbedingte Faktoren wie beispielsweise Umweltgifte im Zusammenhang mit ADHS diskutiert. So können etwa der Kontakt mit bestimmten Schädlingsbekämpfungsmitteln, weiteren Chemikalien wie dem mittlerweile verbotenen Weichmacher PCB oder die Luftverschmutzung des Straßenverkehrs eine ADHS verstärken. Allergien werden zwar bei ADHS-Betroffenen häufiger beobachtet, dies bedeutet aber nicht, dass sie eine ADHS auslösen können.
Auch die Ernährung kann einen Einfluss auf die Entwicklung einer ADHS haben. So wurden in einigen Studien die Auswirkungen der mütterlichen Ernährung während der Schwangerschaft auf das ADHS-Risiko des Kindes untersucht. Zum Beispiel gibt es Hinweise darauf, dass ein höheres Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren im Nabelschnurplasma die Ausprägung einer ADHS beim Kind erhöhen kann. Eine weitere Studie konnte zeigen, dass eine hochwertigere Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft mit einem geringeren Risiko für eine ADHS-Diagnose beim Kind verbunden war. Obwohl noch keine eindeutigen Aussagen über dieses Thema getroffen werden können, scheint die mütterliche Ernährung während der Schwangerschaft von Bedeutung für eine mögliche ADHS-Entwicklung des Kindes zu sein, insbesondere im Hinblick auf Nährstoffe, die die frühe neurologische Entwicklung beeinflussen.
Eine ADHS ist also keine moderne Zivilisationskrankheit oder reine „Einbildung“. Vielmehr gibt es eindeutig identifizierte genetische Ursachen und zahlreiche weitere Faktoren, die die Ausprägung einer ADHS und den Krankheitsverlauf beeinflussen können.
ADHS und das Gehirn: Neurobiologische Auswirkungen
Die biologische Konsequenz aus genetischen und umweltbedingten Risiken ist am Ende eine Störung des Neurotransmitter-Systems im Gehirn, die ebenfalls im Zusammenhang mit der Entstehung einer ADHS diskutiert wird.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die Neurotransmitter (sog. Nervenbotenstoffe) Dopamin und Noradrenalin. Diese Botenstoffe steuern im Bereich des präfrontalen Cortex des Gehirns die Aufmerksamkeit und die kognitive Kontrolle, also die Unterscheidung zwischen relevanten Signalen und Hintergrundrauschen. Bei einer ADHS ist die Weiterleitung dieser Botenstoffe verändert. Das bedeutet, Dopamin und Noradrenalin sind an ihren jeweiligen Einsatzorten nicht ausreichend vorhanden. Ein Mensch mit ADHS nimmt seine Umgebung dadurch anders wahr als ein neurotypischer Mensch ohne neurologische Auffälligkeiten. So kommt es häufig zu Schwierigkeiten bei der Fokussierung auf spezifische Informationen. Dopamin und Noradrenalin haben ebenfalls einen Einfluss auf die Motivation, die Impulsivität und das Lernverhalten. Dadurch erklären sich diese typischen ADHS-Merkmale.
Das als Glückshormon bekannte Serotonin ist zusätzlich involviert und beeinflusst auch die Stimmungs- und Impulskontrolle. So führt ein veränderter Serotoninstoffwechsel zu dem bei ADHS-Betroffenen bekannten impulsiven Verhalten. Weitere Botenstoffe, die einen Einfluss auf die Entstehung einer ADHS haben können, sind Glutamat, Acetylcholin oder Nikotin.
Die im Zusammenhang mit einer ADHS häufig diskutierten Stoffe Cortisol und Adrenalin spielen hingegen eine untergeordnete Rolle bei der Entstehung einer ADHS. Allerdings kann das adrenerge System, welches die Freisetzung von Adrenalin im Körper regelt die medikamentöse Behandlung der ADHS beeinflussen.
Neben veränderten neurochemischen Prozessen können weitere neurologische Faktoren der Entstehung einer ADHS zugrunde liegen. Moderne bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) erlauben Einblicke in die Hirnstruktur und -funktionen. Damit konnten verschiedene Studien einen Zusammenhang von geringerem Gehirnvolumen, verzögerter Entwicklung einiger Cortex-Bereiche und veränderten Nervenbahnverknüpfungen mit einer ADHS zeigen.